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Disease Awareness „Diabetischer Fuß“: Was ist notwendig für eine bessere Risikoaufklärung bei Diabetikern? Grafik: GEHWOL
Disease Awareness „Diabetischer Fuß“: Was ist notwendig für eine bessere Risikoaufklärung bei Diabetikern? Grafik: GEHWOL

Pressemitteilung -

GEHWOL Diabetes-Report 2019-2020: Amputationsprävention ist auch eine Frage der Aufklärung

Derzeit gibt es in Deutschland etwa sieben bis neun Millionen Diabetiker (1). Mit der sogenannten Zuckerkrankheit geht eine deutlich verkürzte Lebenszeit inklusive verschiedener Folgeerkrankungen einher. Eine der häufigsten: das Diabetische Fußsyndrom (DFS). Dieses führt nicht selten zur Amputation und erhöht die Sterberate um das 2,5-fache im Vergleich zu Diabetikern ohne DFS (1). Grund genug, um Vorsorgemaßnahmen zu ergreifen, denn einem Drittel der Diabetiker ist nicht bewusst, dass sie auf ihre Füße achten müssen. Und mehr als die Hälfte weiß nicht über die Risiken einer Fuß-Läsion Bescheid. Doch wie entsteht dieses Aufklärungsdefizit und - vor allem - wie lässt sich dem entgegenwirken? Der aktuelle GEHWOL Diabetes-Report beleuchtet die derzeitige Praxissituation. Ärzte empfehlen u.a. eine schnellere podologische Versorgung für Patienten und mehr fußspezifische Schulungen für Diabetes-Berater.

Disease Awareness

Im Durchschnitt schätzen Ärzte 16 Prozent ihrer Diabetes-Patienten als Risikopatienten für ein Diabetisches Fußsyndrom (DFS) ein. Ein diabetischer Fuß zeichnet sich durch schlecht heilende Läsionen und Ulzera aus. Im schlimmsten Fall steht am Ende die Amputation. Dennoch weiß ein Drittel der Patienten nicht, dass sie auf ihre Füße achten müssen. Und mehr als die Hälfte ist nicht gut über die Risiken einer Fuß-Läsion informiert. Diese mangelnde Awareness lässt sich verschiedenen Punkten zuordnen. Bei der Erstdiagnose klären immerhin 61 Prozent der Ärzte über die Fußpflege zuhause auf, der Rest tut dies jedoch erst bei auffälligen Hautproblemen oder mangelnder Fußhygiene. Allerdings sind Ärzte nicht allein für die Fußgesundheit ihrer Patienten verantwortlich. 91 Prozent der Mediziner sagen, dass auch Podologen und Fußpflegern eine beratende Rolle zukommt. Jedoch ist nur knapp die Hälfte der Diabetiker in podologischer Versorgung. Eine weitere Säule in der Diabetes-Therapie stellen die Diabetes-Berater dar. Ihnen sprechen 70 Prozent der Ärzte die Aufklärung der Patienten im Bereich Fußpflege zu. Trotzdem erhalten nur 44 Prozent der Diabetiker eine Schulung zur Fußhygiene. Auch die aktuelle Praxisleitlinie (3) sieht in der regelmäßigen Beratung von Patienten durch die beteiligten Betreuer eine wichtige Rolle. Die unterschiedlichen Berührungspunkte von Diabetikern mit der Fußpflege – Arzt, Podologe oder Diabetes-Berater – bieten mehrere Lösungsansätze für eine Erhöhung der Awareness bei Patienten. Knapp drei Viertel der Ärzte wünscht sich eine generelle podologische Vorsorgeuntersuchung im Fall einer Erstdiagnose von Diabetes. Nach dem Heilmittelkatalog können Ärzte eine podologische Therapie bisher nur dann verschreiben, wenn bereits krankhafte Schädigungen am Fuß vorliegen, ein DFS also bereits besteht (2). Podologische Behandlungen zur Primärprävention müssen bislang vom Patienten selbst getragen werden. Die Pflege zuhause spielt deshalb eine wichtige Rolle. Allerdings sind 61 Prozent der Ärzte der Meinung, dass die verletzungsfreie Fußpflege in den Schulungen für Diabetiker häufig zu kurz kommt. Etwa die Hälfte der Ärzte empfiehlt daher mehr fußspezifische Fortbildungen für die Berater und hinsichtlich der Patientenschulungen vor allem eine einheitliche Regelung zur Kostenübernahme durch die Krankenkassen. Weitere Vorschläge sind eine erhöhte Anzahl an Disease-Management-Programmen sowie ein Ausbau bereits bestehender zertifizierter Diabetes-Netzwerke.

Risikofaktoren

Eine Verbesserung der Awareness unter den Patienten ist wünschenswert, da ein DFS sonst schwierig zu umgehen ist. Einer der häufigsten Risikofaktoren – und oft unterschätzt – ist die trockene Haut (Xerosis). Ärzte geben an, dass etwa ein Drittel ihrer Diabetespatienten davon betroffen ist. Hierbei besteht ein direkter Zusammenhang mit Störungen der Hautdurchblutung (Mikroangiopathie), die bei Diabetikern oft als Folge einer Neuropathie auftreten. Der Blutfluss ist einer der Hauptlieferanten für die Feuchtigkeit der Haut. Trocknet diese aufgrund mangelnder Durchblutung aus, führt dies nicht selten zu einer vermehrten Hornhautbildung und in extremen Fällen auch zu Schrunden und Rhagaden. Die empfindliche Haut entsteht ebenfalls, wenn der Haut zu wenig Feuchtigkeit zur Verfügung steht. Ihre Folge sind entzündliche Veränderungen und mikrobielle Hautprobleme. Für den Diabetiker stellen diese Hautzustände ein großes Problem dar, da Wunden schlechter heilen und sich so auch leichter entzündlich verändern. Liegt eine Neuropathie vor, bleibt die Verletzung unter Umständen lange unbemerkt, sodass ein DFS leicht entstehen kann. Ähnlich verhält es sich mit einer Fehlbelastung durch unpassende Schuhe oder eine eingeschränkten Gelenkmobilität. Auch diese Risikofaktoren können ein DFS begünstigen, wenn sie nicht beseitigt werden und die Haut dadurch andauerndem Druck und ständiger Reibung ausgesetzt ist.

Disease Management

In der Praxis sind daher regelmäßige Kontrollintervalle notwendig. Dabei unterscheidet die Praxisleitlinie zwischen den Risikokategorien Null bis drei, wobei Null das geringste Risiko darstellt. In diesem Fall liegt keine periphere Neuropathie vor und die Untersuchung sollte ein Mal jährlich erfolgen. Fast alle Ärzte halten diese Kontrollintervalle ein oder ordnen sie sogar häufiger an. Mit zunehmender Risikokategorie sollte auch die Häufigkeit der Kontrollintervalle steigen – auch das ist in der Praxis meist der Fall. Gleichzeitig lässt sich jedoch auch erkennen, dass mit zunehmender empfohlener Häufigkeit der Anteil an Patienten steigt, die seltener untersucht werden. Hierfür könnte eine mangelnde Compliance auf Patientenseite verantwortlich sein, da nach ärztlichen Angaben 16 Prozent der Patienten die regelmäßigen Kontrolluntersuchungen nicht einhalten. Eine erhöhte Awareness könnte auch hier zu einer Verbesserung führen. Denn die regelmäßigen Kontrollen sind wichtig, da besonders die Neuropathie von Patienten oft nicht wahrgenommen wird. Um Risikopatienten zu identifizieren sind bestimmte Maßnahmen vorgegeben, die Ärzte bei jeder Untersuchung vornehmen sollten. Dazu gehört unter anderem die gezielte Anamnese von Schmerzen, Parästhesien oder Taubheitsempfinden. In der Praxis sind diese Untersuchungen bereits gut etabliert. Gleiches gilt für die Untersuchung des Hautstatus, etwa Integrität, Turgor, Schweißbildung und Schwielen. Auch die Prüfung auf vorliegende Fußdeformitäten und Gelenkmobilität wird regelmäßig durchgeführt. Verbesserungspotenzial gibt es hingegen noch bei der Untersuchung der Hauttemperatur und der Überprüfung der Schuhe, die sich als Untersuchungsgegenstand noch nicht in allen Praxen durchgesetzt haben. Auch die empfohlenen Kontrollen der Drucksensibilität mit dem 10-g-Monofilament sowie der Vibrationsempfindung mit der Rydell-Seiffer-Stimmgabel gehören in 14 Prozent beziehungsweise vier Prozent der Fälle noch nicht zu den Standardmaßnahmen in der Praxis.

Anschlussdiagnostik auch bei tastbarem Fußpuls

Eine besonders wichtige Maßnahme in der Risikodiagnostik ist die beidseitige Palpation der Fußpulse, oder ein vergleichbares Verfahren, zum Ausschluss einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK). Mittlerweile ist diese Kontrolle regelmäßig Gegenstand der ärztlichen Praxis und gut etabliert. Als alleiniges Ausschlusskriterium reicht sie jedoch nicht aus. Aus diesem Grund wird empfohlen zusätzlich eine anschließende Diagnostik nach der Palpation durchzuführen, auch wenn Fußpulse tastbar sind. In der hausärztlichen Versorgung kommt der Knöcheldruckmessung (ABI-Messung) dafür eine herausragende Bedeutung zu (1). Diese Empfehlung hat sich in der Praxis jedoch noch nicht überall durchgesetzt, denn drei Viertel der Ärzte leiten keine absichernde Diagnostik ein, wenn kein pathologischer Befund vorliegt. Anders sieht dies bei gefestigter Diagnose aus: Ist kein Fußpuls tastbar, führen alle Ärzte entweder weitere Untersuchungen durch oder überweisen direkt zum Spezialisten.

Zweitmeinung vor Amputation

Das Vorliegen einer pAVK erhöht das Risiko einer Amputation. Tatsächlich werden 70 Prozent aller Majoramputationen der unteren Extremitäten bei Diabetikern durchgeführt. Bei den Minoramputationen entfallen sogar 85 Prozent auf die Gruppe der Diabetespatienten. Die Amputation sollte jedoch als letzte definitive Maßnahme begriffen werden. Durch konsequente Aufklärung der Patienten und präventive Maßnahmen zur Vorbeugung des DFS soll die Zahl der Amputationen verringert werden. Aus diesem Grund geht bei Amputationen der Trend auch zur Zweitmeinung. Bereits knapp drei Viertel der Ärzte rät ihren betroffenen Patienten eine zusätzliche Meinung einzuholen und überweist zum Gefäßspezialisten.

Der GEHWOL Diabetes-Report als Download:
fussvital.info/diabetes

Der GEHWOL Diabetes-Report als Download:
gehwol.de/downloads/gehwol-diabetes-report-2020.pdf

Weitere Quellen:

  1. Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) und diabetesDE (Hg.), 2019. Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes 2019. Mainz: Kircheim + Co GmbH
  2. https://heilmittelkatalog.de/massnahmen-der-podologischen-therapie.html (zuletzt abgerufen am 07.10.2019
  3. Morbach S et al. Diabetisches Fußsyndrom. In Praxisempfehlungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft. Diabetologie 2018; 13 (Suppl 2): S244–S252

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